Ausstellung

Menschen wollen und müssen ver- und umsorgt werden. Ein funktionierendes Miteinander in einer möglichst gesunden, friedlichen und lebenswerten Gesellschaft ist keine Selbstverständlichkeit. Dahinter steckt viel Arbeit, etwa die Haushaltsführung, die Erziehung von Kindern, die Pflege und Betreuung kranker und hilfsbedürftiger Menschen. All diese Tätigkeiten haben keinen Warenwert, weil durch sie keine greifbaren Produkte erzeugt werden. Daher werden sie in der Ökonomie als nicht produktive Tätigkeiten bezeichnet, umgangssprachlich gelten sie als unsichtbare Arbeit. In einer Studie der Wohltätigkeitsorganisation Oxfam wurde festgestellt, dass allein der Wert der nicht bezahlten Haus-, Pflege- und Fürsorgearbeit etwa 11 Billionen US-Dollar pro Jahr entspricht, würde sie mit dem Mindestlohn bezahlt. Diese Arbeit wird hauptsächlich von Frauen erbracht.

In aktuellen wissenschaftlichen Betrachtungen wird die Gesamtheit der bezahlten und unbezahlten personenorientierten Versorgungsleistungen im englischen Begriff Care-Arbeit zusammengefasst, der sich schlecht übersetzen lässt. Der Begriff stellt die Arbeitsinhalte der Tätigkeiten in den Mittelpunkt. Darüber hinaus betont er, dass diese Arbeiten, wo sie als finanziell entlohnte Dienstleistungen erbracht werden, zumeist prekär bezahlt sind. Oft greifen unbezahlte und bezahlte Care-Arbeiten ineinander. Kommt es in einer Familie zu einem Betreuungsfall, etwa durch Erkrankung eines älteren Menschen, kann die Person oft nicht mehr vollständig durch die Angehörigen versorgt werden. Dann muss eine Lösung durch bezahlte Betreuungs- und Pflegekräfte gesucht werden.

Durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben sich sehr viele Änderungen in den Einreise- und Arbeitsbedingungen für 24-Stunden-Betreuungskräfte ergeben. Die Ausstellung spiegelt diese Sondersituation in einem „Corona-Diapositiv“, in dem farblich abgesetzt auf die Spezifika in der Zeit seit März 2020 verwiesen wird.

ARBEIT OHNE GRENZEN

Die Lösung für das Betreuungsproblem wird zunehmend in so genannten „Personenbetreuer*innen“ gefunden. Meist arbeiten in diesem Beruf Frauen aus Ost- und Südosteuropa, die für einen Turnus von in der Regel zwei Wochen den Haushalt einer zu betreuenden Person führen. Sie unterstützen im Alltag und übernehmen einfache pflegerische Tätigkeiten. Danach kehren sie in ihre Herkunftsländer zurück. Da sie keinen Wohnsitz in Österreich haben, sind die Betreuer*innen nicht als Migrant*innen registriert. Ihr Status wird als transnational bezeichnet.

Die rechtlichen Voraussetzungen für ihre Arbeit wurden 2006/07 mit dem so genannten „Schüssel-Erlass“ geregelt. Diesen Beinamen erhielt das Hausbetreuungsgesetz (33. Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen über die Betreuung von Personen in privaten Haushalten erlassen werden HBeG), weil es nach einem Medienskandal um den damaligen Bundeskanzler Schüssel erlassen wurde. Ein Journalist hatte herausgefunden, dass Schüssel seine Schwiegermutter von einer irregulär beschäftigten und völlig unterbezahlten Pflegerin aus der Slowakei versorgen ließ.

Aufgrund der „Amnestie für die Beschäftigung illegaler Pflegerinnen“ kam es danach zu einem sprunghaften Anstieg von Betreuungsverhältnissen nach dem Hausbetreuungsgesetz. Die UNDOK-Anlaufstelle zur gewerkschaftlichen Unterstützung undokumentiert Arbeitender in Österreich vermutet dennoch, dass darüber hinaus eine hohe Zahl an Betreuer*innen in nicht-regulären Verhältnissen beschäftigt wird.

 

Als aufgrund der Grenzschließungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie Personenbetreuer*innen aus Ost- und Südosteuropa nicht mehr einreisen konnten, riefen Vertreter*innen der Landesregierungen sowie der Wirtschaftskammer Personenbetreuer*innen, die sich gerade in Österreich aufhielten, zur Verlängerung ihres Arbeitseinsatzes auf. Dabei widerspricht ein Arbeitseinsatz von mehr als 14 Tagen dem Hausbetreuungsgesetz, das in §1.(2)3. besagt, dass nach einer Arbeitsperiode von höchstens 14 Tagen eine ununterbrochene Freizeit von mindestens der gleichen Dauer gewährt werden muss.

Das unerwartete Evidentwerden von Ländergrenzen erschuf ein neues, transnationales Phänomen: grenzüberschreitende gegenseitige Sorge von und um Betreuer*innen und betreute/n Personen.

DIE CARE-KETTE

In Österreich steigt der Altersdurchschnitt der Bevölkerung stetig. Im Gegensatz zu skandinavischen Ländern wird darauf jedoch nicht mit Verbesserung des öffentlichen Betreuungs- und Pflegesystems reagiert. Daher nimmt der Bedarf an Kräften für die häusliche Betreuung zu. Für in Österreich lebende Menschen ist der Beruf der 24-Stunden-Personenbetreuer*in aufgrund der geringen Bezahlung von durchschnittlich 1000 € brutto nicht lukrativ. Deshalb werden zunehmend transnational agierende Betreuungskräfte ins Land geholt.

In ihren Herkunftsländern fehlen diese Menschen für die Zeit, die sie im Ausland arbeiten. Sie fehlen in örtlichen Gesundheitssystemen ebenso wie in den Familien. Dieses Phänomen wird als internationale Care-Kette bezeichnet.

Die internationale Care-Kette wird von Seiten der Wissenschaft als neokoloniale Arbeitsstruktur kritisiert. In einigen Medienberichten wurden die Betreuungskräfte sogar schon als „Moderne Sklaven“ bezeichnet. Denn für die 24-Stunden-Betreuung werden Arbeitskräfte, hauptsächlich Frauen, aus ost- und südosteuropäischen Ländern mit geringerem Lohnniveau in westeuropäische Länder geholt und dort in prekären Einkommensverhältnissen beschäftigt.

Mit den Grenzschließungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie wurde die Care-Kette unterbrochen. Als deutlich wurde, dass notwendige Care-Leistungen ohne dieses Auslagerungssystem nicht mehr zur Genüge erbracht werden können, beschloss die österreichische Bundesregierung, die Care-Kette durch organisierte Flüge und Sonderzüge für Personenbetreuer*innen zumindest teilweise wieder herzustellen, anstatt langfristige Alternativen für eine Verbesserung des Betreuungssystems anzudenken.

BETREUUNG WÄHREND DER COVID-19-AUSNAHMEPHASE

Lediglich 1,6 Prozent der offiziell geführten 24-Stunden-Betreuer*innen sind in Österreich wohnhaft. Die Grenzschließungen und Reisebeschränkungen, die zur Eindämmung des Corona-Virus (Covid-19) vorgenommen wurden, führten daher zur Krise im österreichischen Betreuungssystem.

Durch die Betreuungskrise in Corona-Zeit wurden Mängel im Sozialsystem und diskriminierende Strukturen innerhalb des transnationalen Betreuungsnetzwerkes überdeutlich sichtbar. Betreuungsbedürftige Menschen, meist Angehörige der Hochrisikogruppe, waren oft plötzlich auf sich selbst gestellt oder die Hilfe der Familie angewiesen. Für Angehörige bedeutete diese Situation eine enorme Mehrbelastung.

Da Frauen im Durchschnitt 85 Prozent der Betreuungsarbeiten übernehmen, traf es sie besonders hart. Neben der Kinder, die wegen der Schließungen von Kindergärten und Schulen zu Hause blieben, mussten nun auch ältere Angehörige betreut werden.

Trägerorganisationen von Betreuungsdiensten sowie Angehörige von zu betreuenden Personen bestanden daher auf eine Sonderregelung zu Ein- und Ausreisebestimmungen für Personenbetreuer*innen aus dem EU-Ausland. Medienwirksam wurden daraufhin Betreuer*innen aus Bulgarien und Rumänien mittels Charterflügen und Sonderzügen nach Österreich gebracht. Die Kosten für den Transport wurden von Landesregierungen übernommen, jedoch gab es keinen Lastenausgleich für die Ausfallzeiten während der jeweils mindestens zweiwöchigen Quarantäne bei Ein- und Ausreise der Betreuer*innen.

Ob die Krisensituation langfristig zu Veränderungen im labilen Betreuungssystem führen wird, wird sich erst zeigen. Hoffnung lag lange Zeit auf der Pflegereform, deren erste Umsetzungen bereits für den Beginn des Jahres 2021 versprochen waren. Wegen der Corona-Krise wurde das große Reformpaket jedoch verschoben.

Transnational agierende 24-Stunden-Betreuer*innen waren vom digitalen Beteiligungsprozess, der bis Mitte August 2020 für alle Interessierten offen war, weitgehend ausgeschlossen. Denn die umfangreichen Fragebögen waren nur auf Deutsch erhältlich und mussten in deutscher Sprache ausgefüllt werden.

Personenbetreuer*innen benötigen keine spezifische Ausbildung. Manche haben Erfahrungen im medizinischen Bereich, der stationären Altenpflege oder in der Betreuung Angehöriger gesammelt und/oder einen Betreuungskurs belegt. Als eine der größten Belastungen wurde von den befragten 24-Stunden-Betreuer*innen dennoch nicht die Arbeit selbst, sondern der Umgang mit bürokratischen Tücken genannt. Der bürokratische Aufwand ist hoch und kann bei fehlerhaftem Umgang zu großen Einkommensverlusten führen. In der Bürokratie sind Personenbetreuer*innen häufig mit institutionellen Rassismen konfrontiert. Das sind etwa Formulare, die schwer verständlich und nicht in Übersetzung erhältlich sind, oder Gebühren, die für nicht in Österreich gemeldete Personen sehr viel höher angesetzt werden. Viele dieser Hürden haben ihre Ursache im arbeitsrechtlichen Status der meisten Personenbetreuer*innen als selbständig Gewerbetreibende.

Seit der Legalisierung des Berufsstandes sind aber auch einige Verbesserungen im bürokratischen System vorgenommen worden. Und nicht zuletzt haben die Betreuer*innen gelernt, mit den Hürden umzugehen, und geben dieses Wissen an Kolleg*innen weiter. Ein wichtiges Kommunikationsinstrument sind Facebook-Gruppen. Sie stellen einen virtuellen Raum für Personen mit ähnlichen Problemen und Interessen dar, die sich aufgrund ihrer Arbeitssituation nicht persönlich treffen können.

Selbständigen Personenbetreuer*innen, die ihren Dienst aufgrund der Grenzschließungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie nicht antreten konnten, wurde ein Anrecht auf Gelder aus dem Härtefallfonds eingeräumt. Die anfänglichen Bedingungen machten es für transnational agierende 24-Stunden-Betreuer*innen jedoch schwer, diesen Antrag zu stellen. Hürde Nummer 1 war die österreichische Steuernummer, die die meisten nicht hatten, da ihre Einkünfte zu gering sind, um sie versteuern zu müssen. Hürde Nummer 2 war ein österreichisches Bankkonto, das ohne Meldeadresse in Österreich nur schwer oder zu erhöhten Gebührensätzen eröffnet werden kann. Betreuer*innen, die im Herkunftsland eine geringe Pension haben und deshalb als Personenbetreuer*innen in Österreich arbeiten, waren generell nicht antragsberechtigt. Darüber hinaus waren die Formulare nur auf Deutsch erhältlich und mussten in deutscher Sprache ausgefüllt werden.

Personenbetreuer*innen, die ihren Turnus verlängert haben, weil die Einreise für die Ablöse aufgrund der Grenzschließungen nicht möglich war, konnten den so genannten „Bleib-da-Bonus“ von 500 € beantragen. Die Formulare dafür waren in allen Bundesländern unterschiedlich gestaltet, nur auf Deutsch erhältlich und mussten in deutscher Sprache ausgefüllt werden.

SELBSTÄNDIGE ERWERBSTÄTIGKEIT

Laut Hausbetreuungsgesetz können Personenbetreuer*innen in Österreich ihrer Tätigkeit entweder in unselbständiger oder selbständiger Erwerbsätigkeit nachgehen. Derzeit arbeitet ein Großteil der Betreuer*innen auf selbständiger Basis. Damit haben arbeitsrechtliche Bestimmungen, etwa zu Arbeitszeiten oder Mindestlohn, keine Bedeutung. Gesetzlich ist festgelegt, dass eine Arbeitsperiode nicht länger als 14 Tage dauern darf und danach ununterbrochene Freizeit von mindestens der gleichen Dauer zu gewähren sei. Wozu An- und Abreisezeiten zu zählen sind, ist nicht festgehalten.

Als Einpersonenunternehmen (EPUs) sind Personenbetreuer*innen Mitglied der Wirtschaftskammer (WKO). Sie stellen die größte Zahl an Mitgliedern unter allen EPUs. In ihren Interessen werden sie von der Fachgruppe Personenberatung und Personenbetreuung vertreten. Als Selbständige können sie sich nicht gewerkschaftlich organisieren.

Die WKO gibt für die Betreuer*innen vierteljährlich die viersprachige Zeitschrift „DAHEIM BETREUT“ heraus und stellt Musterverträge in zwölf Sprachen zur Verfügung. Mit diesen Verträgen sind Betreuer*innen vor Ausbeutung durch Arbeitgeber*innen oder Agenturen geschützt.

Als die Bundesregierung beschloss, Personenbetreuer*innen aus Rumänien und Bulgarien einfliegen zu lassen, um die Care-Krise etwas einzudämmen, übernahm die Wirtschaftskammer deren Unterbringung in Mehrbettzimmern in Hotels für die 14tägige Quarantänezeit. Den Bitten von Betreuer*innen, aufgrund ihres Verdienstausfalls und der Mehrkosten für Corona-Tests und Quarantänezeiten die Kammerumlage bis Jahresende zu stunden, wurde dagegen nicht nachgekommen. Lediglich eine Stundung um einen Monat konnte erzielt werden.

SOZIALVERSICHERUNGSPFLICHT

Personenbetreuer*innen müssen als selbständig Erwerbstätige eine Kranken- und Rentenversicherung über die Sozialversicherungsanstalt für Selbständige (SVS) abschließen. Die Bedingungen dafür sind für transnational agierende Personenbetreuer*innen dieselben wie für alle anderen Gewerbetreibenden und Selbständige. Für Personenbetreuer*innen bedeutet das Abführen des Mindestbetrags, dass sie knapp 1/3 ihres Einkommens dafür verwenden.

Die Leistungen aus der Sozialversicherung werden von transnationalen Betreuer*innen kaum in Anspruch genommen. Arztbesuche werden meist in den Herkunftsländern absolviert, wo die Kosten geringer sind als in Österreich. Die Pensionsansprüche sind aufgrund des niedrigen Verdienstes gering und liegen bei etwa 10 € pro Arbeitsjahr.

Viele Betreuer*innen, die in ihren Herkunftsländern bereits pensioniert sind, haben ohnehin dort eine aufrechte Krankenversicherung. Betreuer*innen, die bereits pensioniert sind, arbeiten in dem Beruf, um ihre Einkünfte aufzubessern. Ein Grund für niedrige Pensionen liegt nicht selten darin, dass viele der Frauen jahrelang unbezahlte Care-Arbeit im eigenen familiären Umfeld geleistet haben.

In der Vergangenheit kam es häufig zu Schwierigkeiten mit Zahlungen und Mahnungen wegen ausstehender Nachzahlungen der Sozialversicherungsbeiträge. Ein Grund dafür ist, dass die Formulare kompliziert und nicht in Übersetzung erhältlich sind und daher unwissentlich unrichtige Angaben gemacht wurden. Ein weiterer Grund sind Zahlungsversäumnisse durch Agenturen. Es sind Fälle bekannt, in denen Agenturen nur vorgegeben haben, die Versicherungskosten für die Betreuer*innen zu übernehmen, diese aber nie eingezahlt haben. Auch versteckte Gebühren, wie etwa erhöhte Bankgebühren bei Zahlungen aus dem Ausland, können zu Schulden bei der SVS führen, die sich summieren. Nachzahlungen sind für viele Betreuer*innen aufgrund ihres geringen Einkommens existenzbedrohend.

Die Kosten für verpflichtende Corona-Tests für Personenbetreuer*innen werden nicht von der SVS übernommen. Selbst als ab Mitte August 2020 die Bundesregierung kostenlose Tests für alle Reiserückkehrer*innen aus Corona-Risikogebieten anbot, mussten einreisende Personenbetreuer*innen ihre Tests weiterhin selbst bezahlen. Nach Monaten des Protests wurden zumindest 2/3 der Testkosten von der Bundesregierung übernommen. 

AGENTUREN

Ein Großteil der 24-Stunden-Betreuer*innen wird über Agenturen vermittelt. Für betreuungsbedürftige Personen und deren Familien hat das den Vorteil, dass sie im Notfall schnell Unterstützung erhalten. Auch für Betreuer*innen hat die Vermittlung über Agenturen Vorteile. Sie können bei Bedarf ihren Arbeitsplatz schnell wechseln und vermeiden so Verdienstausfälle. Der Wunsch nach Wechsel des Arbeitsplatzes kann verschiedene Ursachen haben. Aufgrund des engen Verhältnisses zu den Betreuten kann es zu persönlichen Differenzen kommen. Häufiger kommt jedoch vor, dass Betreuer*innen ihren Einsatz aufgrund einer Pflegeheimüberweisung oder des Todes der betreuten Person verlieren.

Vermittlungsagenturen für Personenbetreuer*innen haben trotzdem einen schlechten Ruf. Tatsächlich gab und gibt es hier große Missstände. Manche Agenturen verlangen hohe Gebühren für vergleichsweise geringe Leistung: Sie führen lediglich große Personendatenbanken, kümmern sich jedoch weder um die Qualifikation des Betreuungspersonals noch um die Qualität der Arbeitsstelle. Auch Fälle von Veruntreuung von Geldern sind bekannt.

Bei der Auswahl der Agentur sollte darauf geachtet werden, dass das Betreuungspersonal dort persönlich bekannt ist und nach Fachkompetenz und Charakter auf die zu betreuende Person passend ausgesucht wird. Außerdem sollten Angestellte mit fundiertem medizinischen Basiswissen regelmäßig den Arbeitsort und den Pflegegrad der betreuten Person kontrollieren, um Überlastung der Betreuer*innen vorzubeugen. Wichtig ist auch, dass Vertragswerke transparent für alle Beteiligten sind. Da Personenbetreuer*innen selbständig arbeiten, müssen mit ihnen und der Agentur getrennte Verträge abgeschlossen werden. Die Summe für SVS-Beiträge ist dabei den Betreuer*innen aufzuschlagen, damit sie diese eigenverantwortlich abführen. Mit so einfachen Maßnahmen kann betrügerischen Absichten von Agenturen vorgebaut werden.

Manche Agenturen organisieren Fahrtdienste. In ländlichen Gegenden hat das den Vorteil, dass Betreuer*innen schnell und unkompliziert zum Arbeitsort kommen. Zum Teil sind die Fahrtdienste jedoch sehr teuer und müssen trotzdem in Anspruch genommen werden.

Vorarlberg hat sich mit der Legalisierung des Berufsstandes der Personenbetreuer*innen als einziges österreichisches Bundesland dazu entschieden, die Vermittlung selbst in die Hand zu nehmen. Mehr als die Hälfte der Betreuer*innen werden seither über den landesnahen „Betreuungspool“ vermittelt. Betreuer*innen des „Betreuungspool“ verdienen deutlich besser als im Durchschnitt, für 160 € jährlich sind sie Haftpflicht- und Rechtsschutz versichert, werden von einem Case- und Care-Management, Psycholog*innen und einen geronto-psychiatrischen Dienst begleitet und können Demenz-Seminare belegen. Klient*innen zahlen einen realtiv geringen Vermittlungsbetrag, so dass die Leistung nicht teurer für sie ist als über Agenturen.

Bis Juli 2015 gab es in der Gewerbeordnung keine Vorschrift zur Organisation von Personenbetreuung und somit auch keine Kontrollmöglichkeit dieses Gewerbes. Seit die Tätigkeit der Vermittlungsagenturen mit § 161 als eigenständiges Gewerbe definiert wurde, hat sich die Situation etwas gebessert. Es scheint jedoch, dass aufgrund des hohen Betreuungsbedarfs in Österreich die Gewerbeaufsicht nicht sehr genau kontrolliert. Die Interessenvertretung als Fachgruppenobleute für die Fachgruppe Personenberatung und -betreuung innerhalb der Wirtschaftskammer haben ausschließlich Vertreter*innen von Agenturen inne.

Das Land Niederösterreich ließ währen der Grenzschließungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie als einziges österreichisches Bundesland Personenbetreuer*innen aus Rumänien und Bulgarien einfliegen. Die Organisation der Flüge und die Auswahl der Betreuer*innen übernahm der Fachgruppenobmann der WK-NÖ, der eine Vermittlungsagentur betreibt. Ihm wurde im Nachhinein vorgeworfen, die Betreuer*innen seiner Agentur dabei bevorzugt behandelt zu haben.

FAMILIENBEIHILFE

 Personenbetreuer*innen mit Kindern unter 24, die in Österreich tätig sind, erhalten Familienbeihilfe. 2019 wurde politisch eine Indexierung der Familienbeihilfe vorgenommen. Für Betreuer*innen aus Ost- und Südosteuropa bedeutet das, dass sie monatlich ein Viertel (Slowenien) bis zu mehr als die Hälfte (Bulgarien) weniger Unterstützung erhalten. Für Frauen, die für die Zeit ihrer Arbeitseinsätze Betreuungspersonen für ihre Kinder bezahlen müssen, ist das ein enormer existenzieller Einschnitt.

Am 16.6.2022 erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die österreichische Indexierung der Familienbeihilfe für rechtswidrig. Österreich drohen nun Nachzahlungen. 

In Österreich lebende Familien erhielten aufgrund ihres Mehraufwandes in der Corona-Krise einen Kinderbonus von 360 € pro Kind. Personenbetreuer*innen, die ihren Hauptwohnsitz nicht in Österreich haben, bekamen auch diesen Betrag nur anteilig entsprechend der Indexierungstabelle. Die IG 24, eine Unterstützungsorganisation für Personenbetreuer*innen, hat in Kooperation mit der Antidiskriminierungsstelle des Landes Steiermark und der Volkshilfe eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission dazu eingebracht.

AUFENTHALTSBESCHEINIGUNG

Wer länger als drei Monate am Stück in Österreich ist, muss sich laut Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) melden und bekommt eine Aufenthaltsbescheinigung ausgestellt. Diese Aufenthaltsbescheinigung berechtigt nach fünf Jahren zum Daueraufenthalt in Österreich.

Personenbetreuer*innen betrifft diese Regelung nicht. Wenn sie sich an den empfohlenen Rhythmus von zwei Wochen Arbeit / zwei Wochen Freizeit halten, fehlt ihnen die Kontinuität des Aufenthalts. Daher können auch Betreuer*innen, die schon mehr als fünf Jahre in Österreich arbeiten, keinen Daueraufenthalt beantragen.

Der unsichere Aufenthaltsstatus bringt für die Betreuer*innen viele Nachteile mit sich. Können sie ihre Rückreise nicht antreten, etwa weil sie schwer erkrankt sind, droht im schlimmsten Fall die Abschiebung. Ein Antrag auf Kur ist ohne Daueraufenthalt in Österreich nicht möglich.

Eine Verlängerung des Arbeitsturnus in Österreich erhöht für Personenbetreuer*innen die Chance auf Erhalt einer Aufenthaltsbescheinigung nicht, da diese Maßnahme spontan und keine dauerhaft praktizierte Regelung ist.

DIESE ARBEIT MENSCHELT

Care-Arbeit unterscheidet sich von produktiver Arbeit darin, dass durch sie kein sichtbares Produkt entsteht. Stattdessen wird Arbeit von Menschen an und mit Menschen verrichtet. Die Menschlichkeit und das Erhalten oder Wiederherstellen der Gesundheit sind somit Hauptzweck. Nicht entlohnte Care-Arbeit wird daher der reproduktiven Arbeit zugerechnet.

Zwischenmenschliche Qualitäten sind nicht nur in der Beziehung zwischen Betreuungskraft und betreuter Person von Bedeutung. Die Bewertung und Anerkennung der Arbeit von Personenbetreuer*innen zeigt sich auch in der Akzeptanz durch die jeweiligen Familien sowie durch Gesellschaft und Politik. Generell erfährt Care-Arbeit jedoch wenig Wertschätzung – weder finanziell noch ideell.  

Wie essentiell Care-Arbeit für unsere Gesellschaft ist, zeigt sich oft erst dann, wenn sie nicht verrichtet werden kann. Als aufgrund der Grenzschließungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie transnational agierende 24-Stunden-Personenbetreuer*innen nicht mehr einreisen konnten, wurde ihnen und ihrer Arbeit so viel mediale Aufmerksamkeit zuteil wie nie zuvor.

Personenbetreuer*innen benötigen nicht zwingend eine Ausbildung. Die meisten belegen vor Antritt ihrer ersten Stelle einen Kurs, der oft von der vermittelnden Agentur angeboten wird. Die Qualität der Kurse ist sehr unterschiedlich, in vielen wird nur grundlegend die Sprache des Ziellandes unterrichtet. In Slowenien bietet das Arbeitsamt relativ umfangreiche und qualitativ hochwertige Betreuungskurse für arbeitslos gemeldete Personen an und hilft nach Abschluss der Kurse bei der Stellenvermittlung über ausgewählte Partneragenturen.

Viele zentrale Kompetenzen von Personenbetreuer*innen können nicht in Ausbildung erarbeitet und erlernt werden. Dazu zählen etwa Einfühlungsvermögen, Herzlichkeit und die Bereitschaft, sich dem jeweiligen Haushalt anzupassen. Den professionellen Abstand bewahren zu lernen ist oft ein schmerzhafter Prozess und ein schmaler Grat, dessen Überschreitung nicht immer vermieden werden kann. Nur Betreuer*innen, die eine medizinische Grundausbildung haben, dürfen an ihren Klient*innen medizinische Pflegeleistungen übernehmen.

Flexibel zu sein zählt zu den wichtigsten Kompetenzen von 24-Stunden-Betreuer*innen. Flexibilität wurde Personenbetreuer*innen in Zeiten der Corona-Krise in höchstem Maße abverlangt: in ihrer Bereitschaft, den Turnus zu verlängern; in ihrer Bereitschaft, Quarantänezeiten hinzunehmen ohne ein Ausfallshonorar zu erhalten; in ihrer Bereitschaft, Corona-Tests zu machen und selbst zu bezahlen, und nicht zuletzt in ihrer Bereitschaft, Klient*innen zu betreuen, die durch die Krisenstimmung oft schwer verstört waren.

Die Anerkennung von Kompetenzen ist wichtiger Ausdruck der Wertschätzung der Arbeit. Emotionale Wertschätzung der Tätigkeit ist ausschlaggebend für ein gutes Betreuungsverhältnis. Doch auch die finanzielle Honorierung ist ein Zeichen für Wertschätzung. Generell sind Berufe im Care-Sektor wesentlich geringer bezahlt als produktive Tätigkeiten in Industrie und Handwerk. Als „systemrelevant“ werden sie nur in Krisenzeiten eingestuft, wie während der Covid-19-Pandemie deutlich wurde.

Personenbetreuer*innen verdienen in Österreich meist kaum mehr als 1000 € pro Monat. Eine Ausnahme bildet hier Vorarlberg. Die landesnahe Vermittlungsstelle „Betreuungspool“ zahlt je nach zu leistendem Aufwand Tagsätze von 85 bis 120 €, also mindestens 200 € mehr. Als Selbständige müssen Betreuer*innen von ihrem Verdienst Sozialversicherung abführen und auch Steuern, sofern sie mit ihrem geringen Verdienst die Steuergrenze überschreiten. Manche Betreuer*innen müssen  auch An- und Abreise zum Arbeitsort selbst finanzieren.

Die Arbeitszeit beträgt offiziell 14-mal 22 Stunden. Eine tägliche, zweistündige Pause steht den Betreuer*innen gesetzlich zu, kann aber mangels Betreuungsersatz oft nicht in Anspruch genommen werden. Nachts sind Betreuer*innen stets in Bereitschaft. Da Rastlosigkeit ein häufiges Symptom von Demenz ist, werden viele Betreuer*innen mehrmals pro Nacht gerufen und kommen während ihrer Arbeitseinsätze kaum zu Schlaf.

Im Unterschied zu Vertreter*innen anderer systemrelevanter Berufssparten wurden transnationalen Personenbetreuer*innen weder bezahlte Quarantänezeiten noch die Übernahme der Kosten für Corona-Tests zugestanden. Über die als Diskriminierung kritisierte Indexierung der Kinderbeihilfe und des Kinderbonus wollte das Europaministerium nicht diskutieren. Der Bleib-da-Bonus für Betreuer*innen, die oft um Monate länger in Österreich blieben als geplant, wurde mit 500 € mit dem geringsten vorgeschlagenen Betrag angesetzt. 

Sprache ist nicht das einzige, aber ein wichtiges Mittel zur Kommunikation. Den Personenbetreuer*innen ist das bewusst. Regelmäßiges Sprechen wäre nicht nur zur Demenzprävention der betreuten Personen wichtig, es würde die Arbeit für die Betreuer*innen viel angenehmer machen. Die Sprachkurse, die Betreuer*innen vor Antritt ihrer Tätigkeit absolvieren, reichen aber meist nur für die nötigste Verständigung. Wenn die betreuten Personen Dialekt sprechen, können sie häufig nichts verstehen.

Sprachkurse für Personenbetreuer*innen werden in Österreich trotzdem kaum frequentiert. Dafür fehlt den Betreuer*innen schlicht die Zeit. Die meisten von ihnen versuchen dennoch ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Wenn sie nicht mit den betreuten Personen trainieren können oder wollen, lernen sie häufig über Online-Plattformen.

„Amtssprache“ zu verstehen, verlangt ein sehr hohes Sprachniveau. Dass sämtliche Formulare für finanzielle Unterstützungsleistungen zur Corona-Zeit nur auf Deutsch zur Verfügung standen und in deutscher Sprache ausgefüllt werden mussten, stellte für transnational agierende Personenbetreuer*innen eine große Hürde dar. Sie konnte nur mit Hilfe von ehrenamtlich arbeitenden Initiativen oder unterstützenden Familien bewältigt werden.

24-Stunden-Betreuung im Haus der betreuten Person kann nur in engem Kontakt mit deren Familie passieren. Denn meist sind es die Angehörigen, die die Versorgung organisieren. Sie schließen oder lösen Verträge. Sie müssen in den Pausen der Betreuer*in deren Vertretung übernehmen, falls das nötig ist. Teilweise müssen Angehörige auch leichte medizinische Pflegeleistungen wie etwa das Setzen von Spritzen übernehmen, sofern Betreuer*innen nicht extra dafür ausgebildet sind.

Nicht zuletzt ist die Familie der betreuten Person wichtig in ihrer Vermittlungsfunktion. Ältere Menschen, besonders Menschen mit Demenz, sind häufig skeptisch fremden Personen gegenüber. Die Vorstellung, mit einem fremden Menschen im Haus zu leben, macht ihnen oft Angst. Angehörige können sehr dabei helfen, diese Angst und auch andere Abwehrhaltungen abzubauen.

In Zeiten der Corona-Krise haben manche Familien da eingegriffen, wo es an staatlicher Unterstützung fehlte. Sie haben geholfen, Formulare auszufüllen und wenige, die es sich leisten konnten, haben Betreuer*innen Honorare gezahlt, auch wenn diese aufgrund der Grenzschließungen nicht ihren Dienst antreten konnten. Es hat sich gezeigt, dass Personenbetreuer*innen in vielen Fällen fast den Status von Familienangehörigen haben.

Wenn Betreuer*innen für ihren Turnus nach Österreich kommen, lassen sie in der Regel im Herkunftsland ihre Familie zurück. Viele der Betreuer*innen entscheiden sich erst für das transnationale Arbeitsmodell, wenn die eigenen Kinder bereits selbständig sind. Für Ehemänner wird oft vorgekocht, um sie nicht mit feminisierten Care-Tätigkeiten zu belasten. Einige Betreuer*innen haben betreuungsbedürftige Kinder. Hier wird in den meisten Fällen die innerfamiliäre Care-Kette durch Großmütter aktiv. Denn die Männer sind häufig selbst berufstätig oder wollen aufgrund des gesellschaftlich tradierten Rollenverständnisses die Kinderbetreuung nicht übernehmen. In einigen Fällen muss externe Kinderbetreuung organisiert und bezahlt werden. Betreuer*innen leiden sehr unter dem Vorurteil, sie würden ihre Familien im Stich lassen. Dabei haben sie auch während ihrer Arbeitseinsätze regelmäßig Kontakt – meist über Videoplattformen. In ihrer arbeitsfreien Phase nehmen sie sich besonders viel Zeit für die Familie.

Eine Verlängerung des Turnus, wie sie von Vertreter*innen der Wirtschaftskammer und der Politik von transnational agierenden Personenbetreuer*innen in der Corona-Zeit gefordert wurde, bedeutet immer eine zwangsweise Vernachlässigung von deren Care-Leistungen an der eigenen Familie. Dieser Aspekt wurde nicht mitbedacht, wenn von der Mehrbelastung der Familien gesprochen wurde.

Jeder Mensch braucht Privatsphäre. In einem engen, innerhäuslichen Betreuungsverhältnis ist das oft nicht so leicht zu gewähren. Gesetzlich ist vorgesehen, dass den Betreuer*innen ein eigenes Zimmer zur Verfügung gestellt wird. In der Realität ist es aber oft nur ein Sofa im Wohnzimmer, auf dem sie schlafen können, und ein Schrank für die Kleidung und ihre wenigen persönlichen Dinge.

Sehr vielen Betreuer*innen ist es wichtig, zumindest einmal am Tag das Haus verlassen zu können. Viele gehen bei jedem Wetter spazieren, um den Kopf auszulüften. Nur wenn sie außer Haus sind, können sie nicht von den betreuten Personen gerufen werden.

Die Dauerbelastung führt dazu, dass die meisten Betreuer*innen ihren Beruf nach wenigen Jahren aufgeben. Interessensvertretungen fordern daher regelmäßige Supervision für Personenbetreuer*innen.

Bei vielen Personenbetreuer*innen haben der erhöhte Mangel an Privatsphäre und die weitere Einschränkung der Bewegungsfreiheit sowie zusätzliche Unsicherheit durch die Maßnahmen des Lockdowns vermehrt zu Burnout und Depressionen geführt.

Wenn von Migration gesprochen wird, fällt schnell der Begriff Integration. Für transnational agierende Personenbetreuer*innen ist Integration in die österreichische Gesellschaft beinahe unmöglich. Denn sie haben kaum Freizeit, in der sie Kontakte knüpfen könnten. Von kurzen Pausen abgesehen verbringen sie ihre Zeit im Haus der zu betreuenden Person. An- und Abreise kann erst direkt zu Arbeitsbeginn und -ende erfolgen, da sie sich mit einer zweiten Betreuungskraft abwechseln und in der Regel dasselbe Zimmer nutzen. Wird die Reise von der Agentur in Kleinbussen organisiert, bleibt noch nicht einmal Zeit für ein Übergabegespräch.

Betreuer*innen betrachten Österreich daher in der Regel nur als ihren Arbeitsort. Zu Hause fühlen sie sich im Herkunftsland, in dem sie Zeit und Möglichkeit für Sozialleben haben.

Personenbetreuer*innen, die sich zur Einreise und einer zweiwöchigen unbezahlten Quarantäne während der Zeit der Grenzschließungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie bereit erklärt haben, taten dies großteils aus ihrem Verantwortungsgefühl gegenüber der betreuten Person und deren Familie. Das zeugt von einem hohen Integrationsgrad innerhalb der Familie.

Diese Ausstellung präsentiert keine Objekte. Das haben die befragten Personenbetreuer*innen entschieden. Die für ihre Arbeit häufig benutzen Hilfsmittel – etwa Wischlappen, Putzeimer, Kochtopf, Windeln – waren ihnen zu banal, um sie auszustellen. Persönliche Objekte dagegen existieren kaum.

Aus Gründen der Professionalität vermeiden es Personenbetreuer*innen, ihren Arbeitsort mit persönlichen Dingen zu verändern. Einzige Ausnahme bilden hier Gewürze aus ihrem Herkunftsland, mit denen sie – häufig zur Freude der betreuten Personen – den Speiseplan bereichern. Alle anderen Objekte dienen hauptsächlich dazu, sich in ihren kleinen Privatbereichen wohler zu fühlen, sich gut zu organisieren und den Kontakt zum Herkunftsland nicht zu verlieren. Neben Telefon und Laptop und Terminkalender wurden in den Gesprächen mit Betreuer*innen eigene Bettwäsche und Handtücher als häufigste persönliche Utensilien genannt.

WAR DA NOCH ETWAS?

Körperliche Beeinträchtigungen sind nur einer der Gründe für die Betreuungsbedürftigkeit alter Menschen. Häufig treten im Alter geistige Beeinträchtigungen auf, etwa durch Demenz. Demenz ist eine chronisch fortschreitende Krankheit des Gehirns. Häufigste Ursache der Demenz ist eine Alzheimer-Erkrankung. Als Leitsymptom der Demenz gilt die Gedächtnisstörung. Dazu kommen häufig andere Verhaltensauffälligkeiten, die nicht so leicht der Krankheit zugeordnet werden können und eine professionelle Diagnose brauchen.

Personenbetreuer*innen sind mit Demenzerkrankungen häufig überfordert. Wenn sie keine Ausbildung oder wenig Erfahrung im Beruf haben, fehlt ihnen das Wissen über die Symptome der Krankheit.

Erfahrene Personenbetreuer*innen haben daher dringend darum gebeten, in der Ausstellung über Demenz zu informieren. Da dieses Thema sehr umfangreich ist, sei hier auf den zertifizierten Demenzratgeber der IG-Pflege verwiesen. Er kann über die Website der IG Pflege kostenlos bestellt oder als PDF heruntergeladen werden. Der Vorarlberger „Betreuungspool“ bietet Demenz-Seminare für Betreuer*innen und Angehörige an.

Betreuer*innen, die sich mit dem Thema beschäftigt haben, hat das Wissen über die Krankheit und deren Symptome sehr geholfen. Sie wollen daher, dass sowohl Angehörige wie Betreuer*innen Anzeichen von Demenz erkennen lernen und dadurch das Verhalten von Demenzerkrankten einordnen können und Ärzt*innen für notwendige Medikamentierung hinzuziehen.

Demenzerkrankte Menschen reagieren empfindlich auf Störungen des gewohnten Tagesablaufs und ein durch Verunsicherung geprägtes Klima. Wenn sie aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie nicht mehr von den gewohnten 24-Stunden-Betreuer*innen versorgt werden konnten, traf das Demenzerkrankte wie deren Angehörige daher besonders hart.

DAS ENDE

Das Sterben einer betreuten Person zu begleiten ist nicht selten Teil der Arbeit von 24-Stunden-Betreuer*innen. „Die Leute sterben dann bei Ihnen, Sie sind die letzte Person, die sie sehen, das ist eine ganz große Beziehung.“ So drückte eine erfahrene Betreuer*in im Gespräch die spezielle Intimität aus, die in einem Betreuungsverhältnis entstehen kann – und die sie mittlerweile auch sehr mag an ihrem Beruf.

Für Personenbetreuer*innen hat der Tod der betreuten Person nicht nur emotionale Folgen, sondern bedeutet auch einen tiefen lebensweltlichen Einschnitt. Da laut Hausbetreuungsgesetz das Arbeitsverhältnis sofort mit dem Tod der betreuten Person endet, müssen sich Personenbetreuer*innen ad hoc neu orientieren. Dazu gehört die Organisation der Heimfahrt oder gegebenenfalls einer Unterkunft, sowie die Überbrückung einer unbezahlten Phase oder die schnelle Eingewöhnung in eine neue Arbeitsstelle. Oft sind Betreuer*innen durch die Distanz von der Teilhabe an Abschiedsritualen wie dem Begräbnis ausgeschlossen. Therapeutische Angebote zur Verarbeitung des Sterbevorgangs werden nicht von der SVS getragen und müssen bei Bedarf selbst finanziert werden.

Hospizverbände riefen weltweit dazu auf, sterbende Personen auch in Zeiten der Besuchsverbote zur Eindämmung der Corona-Pandemie nicht alleine zu lassen und mit Mitteln der digitalen Kommunikation regelmäßig Kontakt zu halten. Transnational agierenden 24-Stunden-Betreuer*innen, die oft wichtige Vertrauenspersonen für die Betreuten darstellen, war dieser Kontakt nur mit Hilfe der Familien möglich. Eine Bezahlung für diese digitale Sterbebegleitung war nicht vorgesehen.

ES GEHT WEITER

Die Arbeitsverhältnisse in der 24-Stunden-Betreuung sind prekär und nicht mit dem Arbeitsrecht vereinbar. Diese Tatsache ist längst bekannt, doch erst im Juni 2021 fand sie offiziell Bestätigung.

In Deutschland hat eine bulgarische 24-Stunden-Betreuerin auf Maximalarbeitszeit und Mindestlohn geklagt – und den Prozess gewonnen. 

Dieser Präzedenzfall berührt auch Österreich. Denn 24-Stunden-Betreuer*innen sind extrem mobil und flexibel. Werden in Deutschland die Arbeitsbedingungen besser als in Österreich, werden viele Betreuer*innen lieber dort arbeiten. Denn statt der derzeitigen Scheinselbständigkeit ohne soziale Absicherung im Krankheitsfall erwarten sie eine Festanstellung und Entlastung durch ein 2-Schicht-System. Der österreichische Gesundheitsminister hat daher im Juli 2021 einen ‚Turbo‘ in der Pflegereform angekündigt. Gleichzeitig wurden jedoch internationale Gespräche aufgenommen, um die Care-Kette von Europa auf Südamerika auszuweiten. Konkret ist der ‚Import‘ von Pfleger*innen aus Kolumbien im Gespräch.

Bereits fixiert im Zuge der Pflegereform sind 150 Stellen für 150 Community-Nurses. Mit 2022 sollen sie in ganz Österreich die Arbeitsverhältnisse in der 24-Stunden-Betreuung überwachen und die Betreuer*innen mit medizinischen Versorgungsleistungen unterstützen.

Der Pflege- und Betreuungsbedarf wird in Zukunft mit Sicherheit steigen. Der Grund dafür liegt nicht allein in der zunehmenden Zahl an alten und hochaltrigen Menschen im Allgemeinen. Zunehmend können und wollen Migrant*innen, die in der Vergangenheit im Alter vom Familienverbund aufgefangen wurden, nicht mehr auf dieses System zurückgreifen. Um den erhöhten Bedarf zu decken, werden daher neben personellen Verbesserungen auch technische Lösungen gesucht.

Pflegeroboter wie der dargestellte Pepper werden bereits jetzt schon in Heimen eingesetzt. Pflegeroboter können aber höchstens bei der Animation unterstützen und sind kein Ersatz für Pflege- und Betreuungsleistungen durch Menschen, persönliche Anteilnahme und Empathie. Auch elektronische Unterstützungssysteme, wie etwa Erinnerungsmemos für Medikamenteneinnahme, sind insbesondere für Menschen mit Demenz nur bedingt geeignet. Technische Assistenzsysteme sind in ihrer technischen Funktionalität derzeit noch sehr fehleranfällig.

Mit Technik alleine wird die derzeitige Krise im Pflege- und Betreuungssystem nicht zu bewältigen sein. Daher sind dringend politische Lösungen gefragt.

„Was werden wohl Betreuer*innen im Jahr 2040 über ihre Arbeit sagen?“